Asbest war über ein Jahrhundert lang ein gefragter Baustoff. Seine Eigenschaften – kostengünstig, feuerfest und isolierend – machten ihn zu einer beliebten Wahl in der Bauindustrie. Doch die Gefahren, die von diesem Material ausgehen, wurden erst spät erkannt. Obwohl die Verwendung seit 1993 verboten ist, bleibt das Gesundheitsrisiko alarmierend hoch. Asbest ist in zahlreichen Gebäuden nach wie vor anzutreffen, insbesondere in solchen, die renoviert oder abgerissen werden. Der VDI bietet seit Jahren wertvolle Unterstützung im Umgang mit diesem anhaltenden Problem.
Wie können die Risiken minimiert werden und warum Asbest weiterhin eine ernsthafte Bedrohung darstellt.
Ob in Blumentöpfen, auf Fensterbänken oder in einer Vielzahl von Bauprodukten – von etwa 1880 bis in die 1990er Jahre war Asbest ein unverzichtbarer Baustoff. Diese vielseitige Substanz fand sich als Dachdeckung, Isolierung, Putz oder Bodenbelag in nahezu jedem Haus. Der VDI hat es sich zur Aufgabe gemacht, Hilfestellungen zu bieten, um dem massiven Vorkommen von Asbest im Bauwerksbestand entgegenzuwirken.
Trotz der Anerkennung der Asbestose als Berufskrankheit bereits im Jahr 1937 dauerte es bis 1993, bis die Verwendung endgültig untersagt wurde. Dennoch bleibt die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle durch Asbest hoch und wird voraussichtlich auch so bleiben. In fast allen Gebäuden, die heute saniert oder abgerissen werden, ist Asbest nach wie vor anzutreffen – das Gesundheitsrisiko bleibt bestehen.
Welche Asbestverwendungen finden sich in älteren Gebäuden am häufigsten?
Das Offensichtlichste sind Faserzement und Dacheindeckungen – das sieht man jeden Tag. Aber auch Hart-PVC-Platten, sogenannte Flor-flex-Platten und diverse bauchemische Produkte enthalten oft Asbest: von Spachtelmassen über Dünnbettmörtel für Fliesen bis hin zu Fensterkitt. Schätzungen zufolge wurden etwa 3.000 Produkte im Bauwesen mit Asbest versetzt – und das seit etwa 1880. Häufig wird der Eindruck erweckt, es handele sich um ein Problem der Nachkriegsjahre, doch auch bei Renovierungen älterer Gebäude ist Asbest oft anzutreffen.“
Welche Methoden werden eingesetzt, um Asbest in Gebäuden zu identifizieren?
Ein waches Auge und fundiertes Know-how sind unerlässlich. Fachleute können viele verdächtige Bauteile bereits visuell erkennen und entscheiden dann, welche Proben entnommen werden sollten. Baupläne aus der Entstehungszeit sowie Informationen über Renovierungsarbeiten sind dabei äußerst hilfreich. Je älter die Pläne, desto aussagekräftiger sind sie oft. In etwa 70 Prozent aller Häuser, die vor 1990 erbaut wurden, finden wir Asbest. Bei der Analyse verdächtiger Materialien kann man in rund vier von fünf Fällen Entwarnung geben – eine wichtige Information für die weitere Planung.“
Welche Gesundheitsrisiken gehen vom Asbest aus und welche Vorsichtsmaßnahmen sind bei der Entfernung erforderlich?
Jährlich gibt es 70.000 Asbesttote in der EU. Die gravierendste Gefahr ist die Asbestose, die zu erheblichen Einschränkungen der Lungenfunktion führt und die Lebensqualität stark mindert. Zudem gibt es verschiedene Krebserkrankungen im Zusammenhang mit Asbest – das Mesotheliom beispielsweise ist meist nicht behandelbar und führt oft nur wenige Monate nach der Diagnose zum Tod. Erschreckend ist, dass diese Zahlen seit Jahren nicht rückläufig sind; im Gegenteil, sie steigen weiter an. In Deutschland sterben jährlich etwa 1.600 Menschen an asbestbedingten Erkrankungen – und das ist nur die offizielle Zahl.
Was bedeutet das für die Baubranche?
Es ist entscheidend, dass wir das Thema Asbest kontinuierlich ansprechen und ernst nehmen! In allen Gewerken muss es präsent sein! Wir müssen sicherstellen, dass die Gefahren von Asbest auch in akademischen und gewerblichen Ausbildungen behandelt werden. Jeder Verantwortliche muss sich dessen bewusst sein! Der Großteil unserer Bauaktivitäten findet im Bestand statt – insbesondere bei Gebäuden vor 1994 ist fast immer mit Asbest zu rechnen.
Die Baubranche darf sich nicht wegducken! Es liegt an allen Beteiligten, das Bewusstsein für diese Thematik zu schärfen und sicherzustellen, dass sowohl große Unternehmen als auch Handwerker den erforderlichen Gesundheitsschutz ernst nehmen.
Quelle: Dipl.-Ing. Martin Kessel, Mitglied im Vorstand der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik